Dekra Pressemitteilung:

Wer zu billig kauft, zahlt mit Sicherheit drauf
Crashtests zeigen schlechtere Bremsleistung und höhere Kollisionsgeschwindigkeit
Spriteinsparung durch Ökoreifen darf nicht zu Lasten der Sicherheit gehen
Autofahrer sollten Luftdruck- und Verschleißkontrolle ernster nehmen



LEIPZIG / STUTTGART – Überall wird derzeit gespart, auch bei den Autokosten. Mögliche Einsparpotenziale finden immer mehr Autofahrer unter anderem in Billig-Importreifen. „Eine fatale Entscheidung“, sagte Dipl.-Ing. Clemens Klinke, Vorsitzender der Geschäftsführung DEKRA Automobil GmbH, auf der AUTO MOBIL INTERNATIONAL (AMI) 2009 in Leipzig. „Denn gegenüber Premium-Reifen stellen Billigimporte oftmals ein hohes Sicherheitsrisiko für alle Verkehrsteilnehmer dar“, so Klinke. Die Autofahrer würden beim Kauf von Billig-Pneus an der falschen Stelle sparen, weil sie in Notfallsituationen nicht nur das eigene Leben, sondern auch das der übrigen Unfallbeteiligten aufs Spiel setzen.

Dies zeigen Crashtests und Fahrversuche von DEKRA ebenso wie die regelmäßig durchgeführten Reifentests und Studien unabhängiger Institutionen: Die meisten Billig-Importreifen insbesondere aus Fernost können in punkto Fahrsicherheit und Verschleiß bei weitem nicht mit Markenreifen mithalten. Die Sicherheitslücken sind erheblich – ob auf nasser oder trockener Fahrbahn, ob bei Sommer- oder Winterreifen. Die Erfahrung zeigt, dass Billig-Importreifen im Vergleich zu Premiumreifen bei Nässe durchschnittlich nur eine Leistungsfähigkeit von 76 Prozent aufweisen – verbunden mit einem entsprechend längeren Bremsweg und instabilen Fahreigenschaften (Kurvenfahrt und Spurwechsel). Reifen-Experten sprechen vielen Billig-Produkten einen etwa 20 Jahre zurückliegenden Entwicklungsstand zu. Dies belegen auch diverse Hochgeschwindigkeitstests, die im Rahmen von verschiedenen Gutachten durch DEKRA Reifenexperten durchgeführt wurden - die Pneus hielten den geforderten Mindestlaufzeiten im Labor (ECE R30-Norm oder Industrievorgaben) nicht stand.

Fahrversuche und Messungen der DEKRA Unfallforschung ergaben, dass ein mit Premium-Winterreifen ausgerüsteter Pkw aus 80 km/h nach einer Vollbremsung auf nasser Fahrbahn bereits zum Stehen gekommen ist, während der mit Billigreifen bestückte Pkw noch eine Restgeschwindigkeit von ca. 30 km/h hat. Für ungeschützte Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger oder Fahrradfahrer bedeutet diese relativ hohe Restgeschwindigkeit ein erhebliches Verletzungsrisiko – wenn nicht sogar die Gefahr, dabei ums Leben zu kommen.

Ein weiterer Versuch: Im DEKRA Crash Test Center wurde ein acht Jahre altes Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 58 km/h und 40 Prozent Überdeckung gegen eine Barriere gefahren. Danach wurde ein zweiter Crash-Versuch mit einem bau- und typgleichen Fahrzeug durchgeführt, diesmal aber mit einer Geschwindigkeit von 68,8 km/h. Zur Erklärung: Durch die um 24 Prozent reduzierte Bremsleistung bei Nässe wäre die Kollisionsgeschwindigkeit des mit Billig-Importreifen ausgerüsteten Pkw im realen Unfallgeschehen um 10,8 Stundenkilometer höher. Das heißt, dass die beiden Fahrzeuge nach der Einleitung einer Vollbremsung aus der gleichen Ausgangsgeschwindigkeit mit unterschiedlicher Geschwindigkeit auf ein Hindernis prallen. Ergebnis: Geringes Verletzungsrisiko bei den Insassen des Fahrzeugs mit Markenreifen, hohes Verletzungsrisiko des mit Billig-Pneus ausgerüsteten Fahrzeuges, da die Fahrgastzelle bereits deformiert wurde.

Unzweifelhaft ist, dass viele Pkw-Unfälle mit Getöteten und Schwerverletzten durch bessere Reifen hätten vermieden oder gemildert werden können. Forscher der TU Dresden und der Medizinischen Hochschule Hannover haben 11.400 Verkehrsunfälle rekonstruiert. Demnach hätten Premiumreifen die Kollisionsgeschwindigkeit in 30 Prozent der Unfälle deutlich reduziert und knapp zehn Prozent aller Unfälle mit Fußgängern hätten gänzlich vermieden werden können.



Marktanteil von Billigreifen liegt in Europa bei 30 Prozent

All dies scheint deutsche Autofahrer aber nicht davon abzuhalten, sich dennoch für die Produkte aus Fernost zu entscheiden – oft aus Unwissenheit. Markteinschätzungen zufolge stieg deren Anteil seit dem Jahr 2000 europaweit von 26,4 auf derzeit rund 30 Prozent. Eine Anfang März von DEKRA durchgeführte Untersuchung in zahlreichen Niederlassungen ergab, dass immerhin 18 Prozent der Befragten bereit wären, zukünftig Billigimport-Reifen aus Fernost zu fahren. Ausschlaggebendes Motiv dafür ist zweifelsohne der teilweise deutliche Preisunterschied und die fehlende Aufklärung der Verbraucher über die Qualität. Doch wenn darunter die Verkehrssicherheit leide und die Beteiligten im Ernstfall mit schweren Verletzungen oder dem Tod dafür bezahlen, dürfe die vermeintliche Kostenersparnis kein Kaufargument sein.

Regelmäßig sollte auch der Luftdruck in den Reifen überprüft werden. Denn sowohl ein zu hoher als auch ein zu niedriger Reifenfülldruck gefährdet die Verkehrssicherheit. In beiden Fällen ist die Haftfläche nicht ausreichend genug, worunter zum einen die Kurvenstabilität leidet und zum anderen der Bremsweg länger wird. Darüber hinaus verringert sich die Lebensdauer des Reifens. „Diese Gefahr scheint freilich längst nicht jedem Autofahrer bewusst zu sein“, gibt Klinke zu bedenken.

Nicht vergessen werden darf, dass ein zu niedriger Luftdruck den Kraftstoffverbrauch beziehungsweise den CO2-Ausstoß steigert. „Im Hinblick auf mehr Verkehrssicherheit und mehr Umweltschutz ist die von der EU vorgeschlagene Verordnung, wonach neue Personenwagen ab 2012 mit einem Reifendrucküberwachungssystem ausgerüstet sein müssen, umso begrüßenswerter“, betont Klinke.



Umweltschutz darf nicht auf Kosten der Verkehrssicherheit gehen

Ebenfalls ab 2012 sollen nach den Plänen der EU rollwiderstandsarme Reifen vorgeschrieben werden. Solche Reifen leisten beim Abrollen weniger Verformungsarbeit und senken deshalb den Kraftstoffverbrauch. Nach Ansicht von Klinke darf aber der Zielkonflikt – einerseits die Verminderung des Rollwiderstands, andererseits verbesserte Laufleistung - auf keinen Fall die Verkehrssicherheit etwa durch geringere Haftung und damit weniger Bremsleistung insbesondere bei Nässe beeinträchtigen. „Denn dadurch würden die Vorteile moderner Fahrerassistenzsysteme wie beispielsweise ESP und Notbremssysteme wieder zunichte gemacht“, so Klinke.

Unabhängig von Premium- und Billigreifen hat auch das Reifenalter großen Einfluss auf die Fahrsicherheit. Eine statistische Analyse von DEKRA Reifenexperte Dipl.-Ing. Franz Nowakowski von rund 1.400 Reifenplatzern und Protektorablösungen ergab bei sieben bis acht Jahre alten Reifen eine Ausfallhäufigkeit von nahezu 40 Prozent. Bei sechs bis sieben Jahre alten Reifen belief sich die Ausfallhäufigkeit „nur“ noch auf etwa 20 Prozent, bei fünf bis sechs Jahre alten Reifen ergab sich dann eine deutliche Reduzierung auf sechs Prozent. Mit weiter abnehmendem Reifenalter sank dieser Prozentsatz schließlich auf Null. „Dessen ungeachtet sollten Autofahrer ihre Reifen regelmäßig auf Beschädigungen hin kontrollieren oder von einer Fachwerkstatt unter die Lupe nehmen lassen“, empfiehlt Reifenexperte Nowakowski. Auch die Profiltiefe verdiene mehr Beachtung, da bereits unter vier Millimetern die Haftung auf nasser Fahrbahn abnehme und der Bremsweg länger werde.

Quelle: Dekra